Das jüdische Volk  Start / Home Hermetik Politik

Rudolf Steiner
Die Geschichte der Menschheit und die Weltanschauungen der Kulturvölker
GA 353

Vortrag: Dornach, 8. Mai 1924

          Fragestellung: Hat das jüdische Volk seine Mission in der Menschheitsentwickelung erfüllt?

          "Dr. Steiner: Ja, sehen Sie, das ist eine Frage, die natürlich, wenn man sie bespricht, leider allzuschnell in die Agitation hineintreibt. Dasjenige aber, was man ganz objektiv in dieser Beziehung sagen muß, hat nichts zu tun mit irgendeiner Agitation.

          Wenn man das jüdische Volk ansieht, wie es sich in alten Zeiten entwickelt hat, so muß man sagen, es hat sich in einer Weise entwickelt, die außerordentlich stark die christliche Entwickelung vorbereitet hat. Die Juden haben, bevor das Christentum in die Welt getreten ist, eine sehr geistige Religion gehabt, aber eine Religion – ich habe sie Ihnen schon charakterisiert – , die eigentlich nur auf das geistige Naturgesetz Rücksicht genommen hat. Hat man den Juden gefragt: Woher kommt der Frühling?, so hat er gesagt: Weil Jehova es so will! – Warum ist das ein schlechter Mensch? Weil Jehova es so will! – Warum bricht in einem Lande eine Hungersnot aus? Weil Jehova es so will! – Alles wurde zurückgeführt auf diesen einen Gott. Und dadurch lebten die Juden mit ihren Nachbarvölkern in Feindschaft; sie wurden von ihnen nicht verstanden. Und sie verstanden auch diese Nachbarvölker nicht, weil die Nachbarvölker eigentlich nicht diesen einen Gott in derselben Weise anerkannt haben, sondern die geistigen Wesenheiten in allen Naturerscheinungen – viele geistige Wesenheiten – anerkannt haben.

          Ja, sehen Sie, meine Herren, diese vielen geistigen Wesenheiten in den Naturerscheinungen sind eben einfach vorhanden, und diejenigen, die sie leugnen, leugnen etwas Wirkliches. Es ist geradeso, wenn man diese geistigen Wesenheiten in den Naturerscheinungen leugnet, als wenn ich jetzt sage: In diesem Saale sitzt kein einziger Mensch! – Das kann ich natürlich auch sagen, und wenn ich einen Blinden hereinbringe und sage: In diesem Saale sitzt kein Mensch! und Sie nicht anfangen darüber so laut zu lachen, daß er es hört, dann kann er es glauben. – Es gibt ja auch auf diesem Gebiet Täuschungen. Friedrich Nietzsche, der sehr schlecht gesehen hat – er war damals Professor in Basel –, hat immer sehr wenig Zuhörer gehabt; trotzdem die Vorlesungen sehr interessant waren, waren die jungen Zuhörer nicht besonders fleißig. Er war immer in Gedanken versunken, ging hinauf aufs Podium und hielt seine Vorträge. So geschah es auch wieder einmal – und es war kein einziger drinnen! Er hat es aber erst bemerkt, als er hinausging, weil er so schlecht sah. – Und einem Blinden wäre auch klarzumachen, daß hier kein einziger Mensch im Saal ist. So macht man den Menschen klar, daß nirgends geistige Wirkungen sind, weil man sie zunächst durch die Erziehung und alles, was heute geschieht, für die geistigen Wirkungen blind macht.

          Aber auf der anderen Seite ist es auch wieder für den Menschen wichtig, daß er einsieht, er hat zwar viel zu tun mit all diesen vielen Naturgeistern. Aber es gibt in ihm eine Macht, die all das, was diese Naturgeister im Menschen bewirken, besiegt. Und dadurch kommt der Mensch zu dem einen Menschengott. Und die Juden kamen eben zunächst in einer ganz starken Weise zu dem einen Menschengott und leugneten alle übrigen geistigen Wesenheiten in den Naturerscheinungen. Dadurch erwarben sie sich zunächst zur Anerkennung des einen Menschengottes, des Jahve oder Jehova, ein großes Verdienst. Jahve heißt ja einfach: Ich bin.

          Nun, diese Sache ist für die Weltgeschichte sehr wichtig geworden, die eine Gottheit, mit der Leugnung aller übrigen geistigen Wesenheiten. Denken Sie sich: Es gibt zwei Völker, die führen miteinander Krieg; jedes erkennt den einen Gott an, und eines von diesen Völkern kann nur siegen. Das siegende Volk, das sagt: Unser Gott hat uns siegen lassen. – Hätte das andere Volk gesiegt, so hätte das auch gesagt: Unser Gott hat uns siegen lassen. Aber wenn es der eine Gott ist, der das eine Volk siegen läßt und das andere Volk besiegen läßt, so ist es der Gott selber, der sich besiegt! Also wenn die Türken ihren Gott haben und die Christen ihren Gott, und beide Völker den einen Gott haben, und das eine Volk bittet: Der eine Gott möge uns den Sieg bringen –, und das andere Volk betet: Der eine Gott möge uns den Sieg bringen –, so verlangen sie ja beide von demselben Gott, daß er sich selber besiegt! Man muß sich klar sein: Da handelt es sich nicht um ein einziges geistiges Wesen. Das tritt aber schon im alltäglichen Leben hervor: Der eine will, daß es regnet, betet um Regen, der andere will, daß die Sonne scheint, betet um Sonnenschein am selben Tag. Ja, das geht nicht! Würde man das bemerken, so würde schon mehr Klarheit in diesen Dingen herrschen. Aber man bemerkt es halt nicht. In großen Dingen gibt sich der Mensch einer Gedankenlosigkeit hin, lebt in der Gedankenlosigkeit, die er sich in kleinen Dingen gar nicht gestatten würde. Er würde wahrscheinlich nicht zugleich Salz und Zucker in den Kaffee tun, sondern er zuckert ihn bloß, macht bloß das eine. Aber im Großen darauf beruhen ja auch die großen Verwirrungen –, da sind die Menschen nicht so, daß sie sich nur einer Klarheit hingeben wollen. So haben also die Juden das, was man den Monotheismus nennt, also das Bekenntnis zu dem einen Gotte, aufgebracht.

          Nun habe ich Ihnen kürzlich einmal gesagt, daß das Christentum eigentlich die drei Gottheiten ins Auge gefaßt hat: Es hat den Vatergott, der in allen Naturerscheinungen lebt, den Sohnesgott, der in der menschlichen Freiheit lebt, und es hat den Geistgott, der dem Menschen zum Bewußtsein bringen soll, daß er ein von seinem Körper unabhängiges Geistiges hat. Damit also würden drei Dinge begriffen. Sonst muß man dem einen Gott zuschreiben, daß er den Menschen sterben läßt aus dem Körper, daß er ihn auch wieder auferweckt aus demselben Entschluß heraus. Währenddem, wenn man drei Personen hat, fällt das Sterben dem einen Gott, der Tod dem anderen, das Auferwecktwerden im Geiste wieder einem anderen zu. Also das Christentum war genötigt, die geistige Gottheit in drei Personen sich vorzustellen. In drei Personen – das ist nur heute so, daß man das nicht versteht, aber das heißt ursprünglich dreigestaltet, und man hat sich vorgestellt: Die Gottheit trat eben in drei Gestalten auf.

          Nun ist das Judentum genötigt gewesen, weil es nur diesen einen Gott sich vorstellte, überhaupt von diesem einen Gott sich gar kein Bild zu machen, sondern diesen einen Gott ganz nur mit dem Inneren der Seele, mit dem Verstande zu begreifen. Aber es ist auch leicht einzusehen, daß sich damit eigentlich der menschliche Egoismus im höchsten Grade verdichtete; denn der Mensch wird fremd alledem, was außer ihm ist, wenn er das Geistige nur in seiner eigenen Person sieht. Und das hat in der Tat einen gewissen Volksegoismus im Judentum hervorgebracht, das ist nicht zu leugnen; aber die Juden sind dadurch auch mehr geeignet, dasjenige, was nicht bildlich ist, in sich aufzunehmen, während sie weniger geeignet sind, das Bildhafte in sich aufzunehmen. Wenn ein Jude Bildhauer wird, dann kommt eigentlich nichts Besonderes dabei heraus, weil er dazu noch nicht veranlagt ist. Er hat nicht diese bildhafte Veranlagung; die geht ihm nicht ein. Wenn ein Jude Musiker wird, so wird er meistens ein ausgezeichneter Musiker, weil das nicht bildhaft ist; das stellt man nicht äußerlich dar. So können Sie unter den Juden große Musiker finden, aber Sie werden kaum in der Zeit, in der die Künste geblüht haben, unter ihnen große Bildhauer finden, nicht einmal Maler! Die Juden malen ganz anders als meinetwillen die christlichen oder auch nichtchristlichen, die orientalischen Maler. Sie malen so, daß eigentlich die Farbe auf einem Bild, das von einem Juden gemalt wird, gar keine große Bedeutung hat, sondern das, was es ausdrückt, was man eigentlich durch das Bild erzählen will. Das ist dasjenige, was das Judentum besonders charakterisiert: das Nichtbildhafte, das ganz und gar im menschlichen Ich Vorsichgehende in die Welt zu bringen.

          Aber so leicht es ausschaut, es ist nicht so leicht, dieses Bekenntnis zu dem einen Gotte festzuhalten, sondern die Menschen werden eigentlich sogleich Heiden, wenn man ihnen dieses Bekenntnis zu dem einen Gotte nicht scharf aufdrückt. Die Juden sind am allerwenigsten Heiden geworden. Im Christentum dagegen herrscht leicht ein Zug zum Heidentum. Sie können das, wenn Sie scharf zusehen, überall bemerken. Nehmen Sie zum Beispiel diese Verehrung, die das Christentum hat für Zeremonien. Nicht wahr, ich habe Ihnen gesagt: Die Monstranz stellt eigentlich die Sonne dar und darinnen den Mond. Das weiß man gar nicht mehr. Aber der Mensch, der in dieser Beziehung nicht aufgeklärt ist, betet eigentlich die Monstranz an, also ein Äußerliches. Die Menschen neigen sehr leicht dazu, das Äußerliche anzubeten. Und so ist es eigentlich wirklich geschehen, daß im Verlaufe der Jahrhunderte sich das Christentum sehr heidnisch gebildet hat. Dagegen hat immer das Judentum eine Gegenwirkung entfaltet.

          Nehmen Sie das nur einmal auf einem ganz bestimmten Gebiete an, wo es am leichtesten einleuchten kann: Die Christen des Abendlandes, also die Christen, die aus Griechenland, Rom und Mitteldeutschland kamen, die waren eigentlich ziemlich unfähig, die alte Medizin fortzupflanzen, weil sie in den Heilkräutern nicht mehr das Geistige sehen konnten. Es war ihnen unmöglich, in den Heilkräutern noch das Geistige zu sehen. Aber überall haben das Geistige, das heißt ihren einen Jehova gesehen diejenigen Juden, die aus dem Morgenland, von Persien und so weiter gekommen sind. Wenn Sie die Entwickelung der Medizin im Mittelalter betrachten, dann haben die Juden einen ungeheuer starken Anteil daran. Die Araber haben gerade an der Entwickelung der anderen Wissenschaften, die Juden an der Entwickelung der Medizin einen starken Anteil. Und was die Araber an Medizin gebracht haben, haben sie auch wiederum mit Hilfe der Juden ausgearbeitet. Aber dadurch wiederum ist die Medizin das geworden, was sie heute geworden ist. Die Medizin ist zwar geistig geblieben, aber sie ist, ich möchte sagen, monotheistisch geblieben. Und heute können Sie sehen, wenn Sie die Medizin beobachten: Mit Ausnahme von ein paar Mitteln, ganz wenigen, wird eigentlich allen übrigen Mitteln alles zugeschrieben! Man weiß nicht mehr, wie das eine Mittel wirkt, geradesowenig wie man im Judentum gewußt hat, wie die einzelnen Naturgeister sind. So ist auch da in der Medizin ein abstrakter Geist, ein abstrakter Jehova-Dienst eingezogen, der heute eigentlich noch immer in der Medizin drinnen ist.

          Es wäre zum Beispiel sehr natürlich, daß in den verschiedenen Ländern Europas nicht mehr Juden Ärzte wären, als sie prozentual zu der Bevölkerung sind. Ich will nicht sagen – bitte, mich nicht mißzuverstehen! –, daß man das durch ein Gesetz festsetzen sollte; das fällt mir durchaus nicht ein. Aber die natürliche Anschauung müßte das ergeben, daß entsprechend der Anzahl Juden auch jüdische Ärzte da wären. Aber das ist gar nicht der Fall. In den meisten Ländern sind eine viel größere Anzahl Juden Ärzte. Das stammt noch aus dem Mittelalter; sie fühlen sich noch zu der Medizin sehr hingezogen, weil es ihrem abstrakten Denken entspricht. Dieser abstrakten Jehova-Medizin ist eigentlich ihr ganzes Denken angepaßt; sie entspricht ihnen. Und erst hier in der Anthroposophie, wo man wieder zurückgeht auf die einzelnen Naturgeister, erkennt man auch wieder, was in den einzelnen Kräutern und Steinen an Naturkräften enthalten ist. Da bringt man das wieder auf einen sicheren Boden.

          Die Juden haben also den einen Jehova verehrt und dadurch die Menschen davon abgehalten, sich zu verlieren in die Vielgeisterei. Nun ist es natürlich so, daß die Juden sich dadurch auch immer von den anderen Menschen unterschieden haben, und dadurch vielfach wie immer derjenige, der sich unterscheidet, Abneigung und Antipathie hervorruft – die Abneigung und Antipathie hervorgerufen haben. Aber heute handelt es sich darum, sich zu sagen, daß eine solche Weise, die Kultur nicht auseinandertreiben zu lassen, sondern zusammenzuhalten, wie es jahrhundertelang bewirkt worden ist durch die Juden, in der Zukunft nicht mehr notwendig sein wird, sondern in der Zukunft muß das ersetzt werden durch eine starke geistige Erkenntnis. Dann wird auch das Verhältnis zwischen der einigen Gottheit und den vielen Geistern sich vor der Erkenntnis, vor dem Bewußtsein des Menschen darstellen. Dann braucht nicht im Unbewußten ein einziges Volk zu wirken. Daher habe ich es von Anfang an bedenklich gefunden, daß die Juden, als sie nicht mehr recht aus und ein gewußt haben, die zionistische Bewegung begründet haben. Einen Judenstaat aufrichten, das heißt, in der allerwüstesten Weise Reaktion treiben, in der allerwüstesten Weise zur Reaktion zurückkehren, und damit sündigt man gegen alles dasjenige, was auf diesem Gebiet heute notwendig ist.

          Sehen Sie, ein sehr angesehener Zionist, mit dem ich befreundet war, der legte mir einmal seine Ideale auseinander, nach Palästina zu gehen und dort ein Judenreich zu gründen. Er tat selber sehr stark mit an der Begründung dieses jüdischen Reiches, tut heute noch mit und hat sogar in Palästina eine sehr angesehene Stellung. Dem sagte ich: Solch eine Sache ist heute gar nicht zeitgemäß; denn heute ist dasjenige zeitgemäß, dem jeder Mensch, ohne Unterschied von Rasse und Volk und Klasse und so weiter sich anschließen kann. Nur das kann man eigentlich heute propagieren, dem sich jeder Mensch ohne Unterschied anschließen kann. Aber jemand kann doch nicht von mir verlangen, daß ich mich der zionistischen Bewegung anschließe. Da sondert ihr ja wiederum einen Teil aus von der ganzen Menschheit! – Aus diesem einfachen, naheliegenden Grunde kann eigentlich eine solche Bewegung heute nicht gehen. Sie ist im Grunde genommen die wüsteste Reaktion. Natürlich erwidern einem dann solche Menschen etwas Merkwürdiges; sie sagen: ja, in der Zeit hat es sich doch herausgestellt, daß die Menschen so etwas wie Allgemeinmenschliches gar nicht wollen, sondern fordern, daß sich alles aus dem Volkstümlichen heraus entwickeln soll.

          Dieses Gespräch, das ich Ihnen jetzt erzählt habe, hat stattgefunden vor dem großen Kriege 1914 bis 1918. Ja, sehen Sie, meine Herren, daß die Menschen die großen allgemeinmenschlichen Prinzipe nicht mehr wollen, sondern sich absondern, Volkskräfte entwickeln wollen, das hat eben gerade zu dem großen Krieg geführt! Und so ist das größte Unglück dieses 20. Jahrhunderts gekommen von dem, was die Juden auch wollen. Und so kann man sagen: Da alles dasjenige, was die Juden getan haben, jetzt in bewußter Weise von allen Menschen zum Beispiel getan werden könnte, so könnten die Juden eigentlich nichts Besseres vollbringen, als aufgehen in der übrigen Menschheit, sich vermischen mit der übrigen Menschheit, so daß das Judentum als Volk einfach aufhören würde. Das ist dasjenige, was ein Ideal wäre. Dem widerstreben heute noch viele jüdische Gewohnheiten – und vor allen Dingen der Haß der anderen Menschen. Und das ist gerade dasjenige, was überwunden werden müßte. Die Dinge werden nicht überwunden, wenn alles beim alten bleibt. Und wenn sich die Juden zum Beispiel beleidigt fühlen, wenn man sagt: Ihr seid keine Bildhauer, ihr könnt da nichts leisten – so kann man sich sagen: Es müssen doch nicht alle Leute Bildhauer sein! Sie können doch durch ihre persönlichen Fähigkeiten anderswo etwas leisten! – So sind die Juden eben nicht zur Bildhauerei geeignet; sie haben ja auch in die Zehn Gebote das eine aufgenommen: «Du sollst dir von deinem Gotte kein Bild machen», weil sie eben – überhaupt in der bildlichen Anschaulichkeit nichts Übersinnliches darstellen wollen. Dadurch aber wird man gerade auf das Persönliche zurückgewiesen.

          Nicht wahr, Sie können sich das sehr einfach vorstellen: Wenn ich ein Bild mache, auch nur ein geschildertes, wie es oftmals in der Geisteswissenschaft geschieht, so kann sich der andere dieses Bild merken, sich erbauen, daran erkennen – was er eben will. Wenn ich aber kein Bild mache, dann muß ich immer bei der Wirkung selber persönlich dabei sein; dann sondert sich das nicht ab von mir. Daher nimmt es einen persönlichen Charakter an. Das hat auch das Judentum; alles, was bei den Juden ist, nimmt auch einen persönlichen Charakter an. Die Menschen müssen dazu kommen, in dem anderen Menschen das Geistige zu sehen. Heute beherrscht noch alle Dinge der Juden das Rassenmäßige. Sie heiraten vor allen Dingen untereinander. Sie sehen also noch das Rassenmäßige, nicht das Geistige. Und das ist es, was notwendig wäre zu sagen auf die Frage: Hat das jüdische Volk seine Mission in der menschlichen Erkenntnisentwickelung erfüllt? – Es hat sie erfüllt; denn es mußte früher ein einzelnes Volk da sein, das einen gewissen Monotheismus bewirkte. Heute muß es aber die geistige Erkenntnis selber sein. Daher ist diese Mission erfüllt. Und daher ist diese jüdische Mission als solche, als jüdische, nicht mehr notwendig in der Entwickelung, sondern das einzig Richtige ist, wenn die Juden durch Vermischung mit den anderen Völkern in den anderen Völkern aufgehen.


          Fragestellung: Wie konnte über dieses Volk das Schicksal kommen, daß sie ins Exil mußten?


          Dr. Steiner: Ja, sehen Sie, meine Herren, da muß man die ganze Art, den ganzen Charakter dieses Exils einmal ins Auge fassen. Das Judenvolk, das zur Zeit Christi gelebt hat, unter dem der Christus gestorben ist, lebte ja mittendrin unter einem ganz anderen Volk, unter den Römern. Und nun denken Sie sich, die Römer hätten eben einfach Palästina erobert, hätten die Menschen, die sie haben töten wollen, getötet, die anderen ausgewiesen, und die Juden hätten schon dazumal die Absicht oder den Trieb dazu gehabt, mit den anderen Völkern sich zu vermischen – was wäre geschehen? Nun, die Römer hätten Palästina erobert, ein Teil der Juden würde getötet worden sein; andere wären, wie man heute sagt – was ja alle Länder tun –, ausgewiesen worden und hätten draußen irgendwo leben können.

          Nun haben die Juden nicht die Absicht und nicht den Drang gehabt, sich mit den anderen zu vermischen, sondern überall, wo nur ein paar Juden waren, haben sie ausschließlich miteinander gelebt. Nun sind sie nach allen Seiten zerstreut worden; dadurch allein, daß sie nur miteinander gelebt, ineinander geheiratet haben, ist es ja bemerkt worden, daß sie als Juden selber Fremde sind. Sonst hätte man gar nicht bemerkt, daß sie irgendwie im Exil sind. Es war also durch diesen Trieb der Juden, daß man bemerkte: die sind im Exil. Das liegt im ganzen Charakter des Judentums. Und die Nachwelt, die staunt nun darüber, daß die Juden vertrieben worden sind, in der Fremde leben mußten. Ja, aber das ist doch fast überall geschehen! Nur haben sich die anderen Menschen mit den übrigen vermischt und man hat es nicht bemerkt. So liegt es im Charakter des Judentums, daß es zäh überall zusammengehalten hat. In dieser Beziehung muß man schon sagen: Durch das Zusammenhalten der Menschen werden Dinge, die sonst nicht bemerkt werden, eben bemerkt.

          Gewiß, es ist bejammernswert, herzbedrückend, wenn man liest, wie die Juden das Mittelalter hindurch in den Ghettos gelebt haben, also in den Vierteln der Städte, wo sie sich aufhalten durften. Sie durften nicht in die anderen Viertel der Städte kommen; die Tore der Ghettos wurden sogar geschlossen und so weiter. Aber sehen Sie: davon spricht man, weil die Juden im Ghetto zusammengehalten haben, weil man das bemerkt hat! Und anderen Menschen ist es ebenso schlecht gegangen, nicht gerade in dieser Weise, aber in anderer Weise. Die Juden, nicht wahr, die blieben in ihren Ghettos und hielten dort zusammen, und man wußte: die dürfen nicht heraus. Aber andere Menschen, die vom frühen Morgen bis zum späten Abend alle Tage arbeiten mußten, die konnten auch nicht heraus, wenn auch keine Tore da waren; denen ist es gerade so schlecht gegangen! So daß man sagen muß: Solche Dinge beruhen vielfach einzig und allein auf dem Schein, beruhen nur auf dem Schein, wie in der Weltgeschichte eben vieles auf dem äußeren Schein beruht.

          Heute ist die Zeit, wo man in alle diese Dinge mit der Wirklichkeit hineinleuchten muß. Und da kommt man schon darauf: Wo ein Schicksal sich erfüllt, da ist es eigentlich so, daß es wirklich, wie wir es mit einem orientalischen Ausdruck nennen, ein Karma, ein inneres Schicksal ist. Dieses Exilgeschick, das hat sich bei den Juden durch den eigenen Charakter so gemacht; sie sind zäh, und sie haben sich erhalten in der Fremde. Das macht es, daß man es in der späteren Zeit so stark bemerkte und heute noch davon redet.

          Das hat es natürlich auf der anderen Seite hervorgebracht, daß man sie unterscheidet von den anderen und ihnen so alle möglichen Dinge zuschreibt, von denen man nicht die Ursachen weiß. Nicht wahr, wenn irgendwo in einer abergläubischen Gegend ein Mensch ermordet wird und man nicht darauf kommt, wer der Täter ist, und dort ein unbeliebter Jude lebt, so sagt man: Die Juden brauchen zur Osterzeit Menschenblut, sie haben den Menschen getötet. – Ja, das sind natürlich solche Dinge, die gesagt werden, weil man den Juden von den anderen unterscheidet. Aber die Juden haben ja selber furchtbar viel dazu beigetragen, daß man sie von den anderen unterscheidet.

          Heute ist es sehr notwendig, daß man diesen Dingen gegenüber streng nicht dieses Rassenmäßige, nicht dieses Volksmäßige, sondern das Allgemeinmenschliche hervorhebt."

  Adresse: Geheimpolitik.de